Zur Clownsarbeit von Frau Ulrike Henseler

1. „Entdecke den Clown in dir selbst“ ist wohl der Kernsatz in den Workshop-Ankündigungen von Fr. Henseler.
Es geht ihr besonders mit Anfängern nicht darum, vorgegebene Gesten, traditionelle oder moderne Ausdrucksformen und Abläufe bis hin zu Gags zu entwickeln, sondern darum, den TeilnehmerInnen einen Rahmen zu bieten, in dem sie ihren ganz persönlichen eigenen Clown entwickeln, sozusagen in sich auftauchen und sich ausdrücken lassen können. Es ist ein Clown, der keine vorgegebene Rolle spielt, sondern im Moment des Auftritts den eigenen Impulsen und denen des Publikums folgt. Indem er mit dem Publikum auf seine, ihn gerade interessierende Art unverstellt kommuniziert, kreiert er mit ihm eine eigene kleine Gegenwartswelt, in der so gut wie alles möglich ist. Eine sehr humane, dem sozialen Wesen des Menschen zutiefst entsprechende Situation. Wie aber in der Regel bunt zusammen gewürfelte TeilnehmerInnen dazu bringen, sich auf so etwas einzulassen?
Z.B. ist zumindest in unserem mittel-und nordeuropäischen Kulturkreis eine Schwierigkeit nicht zu umgehen: Sich auf sich selbst einzulassen und sich anderen (einem Publikum) unverstellt zu zeigen, erzeugt Lampenfieber, Unbehagen, Angst, Abwehr. Zumal es auf der Hand liegt, dass der Clown, besonders der persönliche Clown, kindliche Seiten hat, ja, sie sind wohl die Grundlage seines Erlebens und Handelns überhaupt. Was daher einerseits einfach und spielerisch leicht sein könnte, kann andererseits für einen selbst in einer Gruppe auch delikat und schwierig sein. Frau Henseler geht mit diesen Prozessen sehr professionell, nämlich prozessorientiert, klar strukturiert und persönlich authentisch um.
2. Es ist dabei hervorzuheben, das diese prozessorientierte, und damit auch teilnehmerorientierte Arbeitsweise Frau Henselers und ihre persönliche Haltung sehr gut ihren Intentionen und Inhalten entsprechen: Durch ihre Persönlichkeit, ihr Verhalten und ihre Angebote, orientiert an ihren Intentionen, den aktuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten der TeilnehmerInnen und dem Stand des Gruppenprozesses, praktiziert sie (im wahrsten Sinne des Wortes „vorbildlich“) genau die Haltung, die für einen lebendig und wirkungsvoll arbeitenden Clown grundlegend ist. Mit begriffen der Pädagogik formuliert: Ihre Intentionen, Ziele, Inhalte, Sozialformen, Medien und Materialien und ihr Verhalten stimmen ausgezeichnet miteinander überein.
3. Dementsprechend besteht der erste Teil eines Workshops stets darin, mit der Gruppe eine vertrauensvolle, offene und zugleich angeregte Atmosphäre zu schaffen: Kennlernspiele (wobei z.B. das Sich-den-anderen-Vorstellen in nuce schon die spätere Situation des Clowns vor dem Publikum ist), dann Bedürfnisklärung (Wünsche, Erwartungen, Voraussetzungen der TeilnehmerInnen und das Angebot der Leiterin), dann weitere Vertrauen entwickelnde, öffnende Übungen/Spiele mit verschiedensten Medien, u.a. Musik, Bällen, Gegenständen usw., die unmerklich in weitere Erfahrungen des Sich-Zeigens vor den anderen übergehen, begleitet von sehr klarem, kurzen Feedback durch Frau Henseler.
Diese Art des Vorgehens ermöglicht es den einzelnen sehr gut, sich im Schutz bestimmter Übungformen auf eine „offene“ Erfahrung einzulassen. Der Vorrat Frau Henselers an angemessenen, auf einander aufbauenden Übungen und Spielen scheint unerschöpflich.
4. Nach diesem ersten Abschnitt mit ersten „Publikumserfahrungen“ gibt es eine Art Initiation: Jeder passt sich seine eigene Clownsnase an. Durch das Aufsetzen der Clownsnase verwandelt sich der Alltagsmensch in einen Clown, durch das Absetzen wieder zurück. Die aufgesetzte Clownsnase signalisiert einem selbst und den anderen: „Jetzt bin ich Clown und ihr mein Publikum.„ D.h. Clown und Publikum wissen sich in einem gemeinsamen, offenen und zugleich eingegrenzten Feld, in dem beide ihre Interaktion Schritt für Schritt entfalten können.
5. In diesem Stadium des Workshops wird ein Teil des Raumes durch einen Vorhang und den Publikumskreis der TeilnehmerInnen zur Bühne, auf der nun jeder erleben kann, sich als Clown zunächst einfach nur stumm zeigen um dann in einem zweiten Durchgang einige Worte oder Sätze einbeziehend erste Schritte zu machen, bis hin zu längeren improvisierten Solo- oder Duo- oder Trioauftritten, in denen auch mit Requisiten selbsterfundene Geschichten erzählt werden können. Frau Henseler interveniert jetzt mit klärenden, unterstützenden und anregenden Hinweisen auf Konzentrierungs- oder Ausbaumöglichkeiten. Da die TeilnehmerInnen diese Experimente auf ihren eigenen Entschluss hin wagen und gemeinsam mit den anderen ihre Erfahrungen machen, kann insgesamt eine sehr solidarische, kreative, lustige und berührende Zusammenarbeit entstehen.
6. Zum Ausklang bietet Frau Henseler in der Regel Entspannungsübungen an und führt in jedem Fall eine Abschlussrunde durch, in der die TeilnehmerInnen und sie resümierend ihre Erlebnisse, Lobendes und Kritisches sagen können.
Die besondere Qualität von Frau Henseler besteht in ihrer Fähigkeit, sich strukturiert, unterstützend und anregend auf die jeweiligen TeilnehmerInnen und sonstigen Umstände einstellen zu können, und das mit einer klaren, offenen, verständnisvollen, humorvollen und auch abgegrenzten Haltung, was offensichtlich die richtige, weil wirkungsvolle Art und Weise ist, Menschen an die Clownsarbeit heranzuführen. Hintergrund ihrer professionellen Kompetenz ist die langjährige Zusamenarbeit mit verschiedenen Clownslehrern, wie Jean Menigault, Giovanni Fusetti, z.T. in Italien, wo Fr. Henseler zehn Jahre gelebt hat. Ihre Art der Clownsarbeit ist verwandt mit ähnlichen Ansätzen, wie sie z.B. von Gilmore (s. „Der Clown in uns“) veröffentlicht wurden.
7. Die Clownsarbeit, wie Frau Henseler sie praktiziert, ist für verschiedene Bevölkerungsgruppen geeignet:
- für Kinder und Jugendliche (z.B. Kindergarten, Schule), die bei ihr nicht nur, wie gewohnt, als Publikum die Clowns erleben, sondern sich jetzt auch selbst ausprobieren und die eigene Courage und die kreativen und kommunikativen Fähigkeiten ausbauen können. Das gilt auch für in gewissem Grad behinderte Kinder.
- für Erwachsene, letztlich jeden Alters, in den verschiedensten privaten und beruflichen Kontexten, z.b. in kreativitätsbetonten, managementbezogenen, sozialen, edukativen, therapeutischen Berufen: Sie können die Präsenz und Kontaktfähigkeit mit sich selbst und anderen ausbauen, als Basis von mehr Autentizität, Offenheit, Kreativität und Kommunikationsfähigkeit.
- für die Arbeit mit Familiensystemen und natürlich
- für die „private“ persönliche Entwicklung

Heinz-Ehlert Mohr
Berlin, März 2009

Herr Mohr ist Dipl.Soz, Gestaltpsychotherapeut seit 25 Jahren, mit entsprechend langjähriger Erfahrung als Gruppenleiter, Teamsupervisor und Coach. Er hat an zwei Wochenend-Workshops teilgenommen.

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